1 CD |
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Label Double Moon Records |
UPC 0608917117424 |
Catalogue number DMCHR 71174 |
Release date 29 July 2016 |
Suchen Sie auch Herausforderungen, endlich wieder mal eine Abwechslung, die das durch permanente Gleichförmigkeit ermüdete Ohr wieder für den Jazz hellhörig werden lässt? Aber doch nicht mit einem Pianotrio!
Warum eigentlich nicht? Vielleicht ist es ja gerade der Reiz, mit der sattsam bekannten Routine zu brechen. Das Herauslösen aus starren Rollen und Konventionen, das Niederreißen von gewachsenen Strukturen, das fröhliche Bemalen von grauen Mauern, hinter denen solch gruselige Begriffe wie „Barjazz“ oder „Fahrstuhlberieselung“ lauern. Der Pianist Michel Reis, der Bassist Marc Demuth und der Schlagzeuger Paul Wiltgen erbringen den tönenden Beweis dafür, dass aus etwas Altem jederzeit etwas Neues entstehen kann. Wenn man nur willens ist, die eigene gedankliche Limitierung infrage zu stellen – sowohl als Musiker wie auch als Zuhörer.
Aber wer will das schon. Das Spiel mit dem Pianotrio verlief bislang meist nach demselben Schema: Thema-Solo-Solo-Solo-Thema, ein bisschen Swing, ein geschmackvolles Schlendern an den harmonischen Rändern, das intellektuell eingefärbte Dekonstruieren und Wiederzusammensetzen von Standards, viel Bill Evans und Keith Jarrett, aber nur wenig unverbrauchte Ideen. Genau darin liegt die Chance für ein klingendes Dreieck wie Reis-Demuth-Wiltgen. Das Trio aus Luxemburg will die Wirkung der Musik für jeden seiner Hörer erlebbar machen, zelebrieren und keineswegs zum Zwecke der Selbstinszenierung missbrauchen. Jeder schlüpft in das jeweilige Thema hinein, verwächst mit ihm, wird ein Teil davon. Sie sind der Dünger für ihre eigenen Werke, lassen sie durch behutsame Dosierung ihrer herausragenden instrumentalen Fähigkeiten wachsen und gedeihen. Auf diese Weise entstehen aus scheinbar banalen Notenfolgen bezaubernd schöne Melodien, die ohne Umwege ins Ohr gehen und dort für lange Zeit verweilen. Keine kitschigen Schnulzen wohlgemerkt, sondern raffinierte Konstrukte voller Emotionalität, Empathie, Virtuosität, Tiefgang und hymnischer Strahlkraft.
Ja doch, so etwas können Pianotrios heute auch: Geschichten erzählen, die ohne Worte fesseln und berühren. Aufmerksamkeit wecken und dennoch komplett auf Effekte, Tricks und Muskelspiele verzichten. Definitions- und Stilgrenzen einfach aushebeln und trotzdem ein Spiegelbild dessen abgeben, was Jazz 2016 sein soll und früher in Händen des Esbjörn Svensson Trios vielleicht einmal war – ein vorurteils- und klischeefreies musikalisches Abenteuer, das die individuelle Handschrift der jeweiligen Protagonisten trägt.
Diese Kunst beherrschen Michel Reis, Marc Demuth und Paul Wiltgen auf ganz erstaunliche Weise. Das nicht nur in der Namensgebung gleichberechtigte Trio existiert bereits seit den Schulzeiten 1998 und arbeitet mit einer kurzen Unterbrechung bis heute zusammen. Drei Ausnahmetalente an ihren Instrumenten suchten und fanden im Laufe der Jahre die „Places In Between“, die Zwischenräume neben den zahlreichen Klischees und Traditionen. Dort bewegen sich eingängige Themen, ansteckender Groove und vielschichtige Rhythmen wie in einem Mobile. Niemand dominiert den anderen.
Dass sich Michel Reis das Mysterium der Improvisation mithilfe einer fundierten klassischen Ausbildung erschloss, meint man aus jedem Anschlag heraushören zu können. Nach Studien am Berklee College of Music in Boston sowie am New England Conservatory spielte und arbeitete der junge Luxemburger Pianist mit Legenden wie Joe Lovano, Danilo Perez, Dave Holland, George Garzone, Ran Blake, Frank Carlberg, Esperanza Spalding und Hal Crook. Genauso wie seine Freunde Marc Demuth und Paul Wiltgen zählt er zu denjenigen, die eifrig, beharrlich und mit Erfolg an einem neuen Vokabular des europäischen Jazz basteln. Demuth (Michael Brecker, Kenny Werner, Slide Hampton, Hein van de Geyn, Florian Weber, Jef Neve) gilt als eine der interessantesten und stärksten neuen Tieftöner des Kontinents, während sich „Big Player“ wie Kurt Rosenwinkel, Mike Moreno, Dave Binney, Lage Lund oder Ambrose Akinmusire schon die vertrackten Rhythmus-Architekturen von Wiltgen, der wie Reis zeitweise in New York lebt, für ihre Performance sicherten.
Sie kommunizieren miteinander über ihre Instrumente. Ein perlendes, farbenreiches Klavier, ein treibend groovender Bass und ein tänzelndes, prickelndes Schlagzeug. Ein Pianotrio. Ja, doch! Es kann so verblüffend einfach, so spannend, so ergreifend sein.